Variable Fonts
Variable was? Eine Variable kennen die meisten von uns nur aus der Mathematik, es ist eine veränderliche Größe. Das Wort Font, sollte für alle englisch-sprechenden Lesern auch bekannt sein, es ist die digitale Fassung einer Schriftart. Aber seit wann gibt es variable Schriftarten? Am 14. September 2016 wurde auf der ATypI Konferenz in Warschau die neue Open-Type-Spezifikation 1.8 und damit eine neue Technologie – die variablen Fonts – vorgestellt. Diese Neuheit stellt geradezu eine revolutionäre Änderung dar. Auch wenn Sie sich mit Schriftarten eigentlich nicht auseinandersetzen, sind variable Fonts der neuste Shit…
Variable Fonts sind Schriften, die sich dynamisch den Umgebungsbedingungen anpassen und somit eine individuellere und passgenauere Anpassung an verschiedene optische Zustände erlauben. Der Webentwickler muss künftig, statt mehrerer Font-Dateien für verschiedene Schriftschnitte, nur noch eine Binär-Datei einbinden. Der darin enthaltene „Master“-Schnitt kann dann in der Stärke, Breite und anderen Typographie-Eigenschaften flexibel angepasst werden und verhält sich damit wie mehrere Schriftschnitte.
Umgesetzt wird diese Anpassbarkeit über die sogenannte Interpolation einer Grundvariante. Dieses Vorgehen ist bereits im Designprozess von Fontdesignern verankert, die mithilfe von Software-Programmen mittels Skalierungen des Gesamterscheinungsbilds sowie einzelner Elemente aus der Grundschrift verschiedene Schriftschnitte generieren. Aber wenn Fontdesigner dies ohnehin schon seit Jahren machen, ist es doch keine bahnbrechende Neuheit?
Also ein alter Hut? Nein!
Eine einzige interpolierbare Datei spart nicht nur Bandbreite und führt damit zu schnelleren Ladezeiten, sie eröffnet dem Webdesigner auch neue Möglichkeiten des Finetunings, sodass dynamische Inhalte noch besser an das Endgerät oder die Bildschirm-Ausrichtung angepasst werden können. Um die neuen Schriften in der Webentwicklung auch einsetzen zu können, wird bereits an der Entwicklung der erforderlichen Werte und CSS-Eigenschaften gearbeitet.
Zusammengefasst: Ab sofort sind sogar Schriftarten responsive.
Alte Idee, neues Konzept
Die Idee von variablen Schriften ist allerdings nicht neu. Schon in den 1990er Jahren haben sowohl Adobe als auch Apple an Konzepten und Formaten gearbeitet. Beide Technologien scheiterten jedoch aus einer Reihe verschiedener Gründe, nicht zuletzt an fehlender kooperativer Zusammenarbeit, die gebraucht wird, um einen neuen Standard flächendeckend zu etablieren.
Der neue Anlauf verspricht hier schon mehr: neben unabhängigen Mitwirkenden haben gleich vier Branchengrößen, Adobe, Apple, Google und Microsoft für die Entwicklung der neuen Spezifikation zusammengearbeitet. Damit stehen Firmen hinter der Neuerung, die für die Einführung von großer Bedeutung sind, weil sie maßgeblich an der Entwicklung und dem Vertrieb von Schriften, Designtools, leitungsfähiger Rendering Engines und von Browsern beteiligt sind.
Das Windows-Entwicklerteam von Microsoft will den neuen Standard ab 2017 unterstützen. Googles Open Source Font-Produktion unterstützt bereits die Erstellung variabler Fonts. Google ist außerdem aktiv dabei die Technologie im Google Chrome Browser, der Google Fonts Webplattform und anderen Produkten einzusetzen.
Es kann also damit gerechnet werden, dass es diesmal mit den variablen Schriften klappt, auch wenn es immer Zeit braucht, bis ein neuer Standard auch tatsächlich überall angekommen ist. Aber mit den vier Branchengrößen Adobe, Apple, Google und Microsoft im Boot, kann eigentlich nichts mehr schief gehen…