Blog Strategie Sinn-Ökonomie

Dezember 2020

Sinn-Ökonomie

Auf der Suche nach dem Sinn des (Marken)-Lebens

Lesezeit: 8 Minuten

Holzpfeil im Wald mit dem Schriftzug Purpose Sinn

Marken als Gestalter einer besseren Zukunft?

Eine bessere Welt – das wünschen sich wohl die meisten von uns. Klimawandel, die Spaltung zwischen Arm und Reich, gesellschaftliche Kluften und noch so vieles mehr gilt es zu lösen. Die Liste an Herausforderungen ist lang und durch die Corona-Krise wächst die Anzahl an Problemen fast täglich. Der Wunsch nach einem souveränen Handeln seitens politischer Entscheidungsträger ist so groß wie lange nicht mehr. „Einfach mal machen“ ist die Haltung aus breiten Kreisen der Bevölkerung. Aber ist die Politik da wirklich der richtige Ansprechpartner? Marken stehen vor der Sinn-Frage.

Die Enabler für Veränderungen: Marken

Der Aussage, dass unsere Politik die deutsche Bevölkerung relativ gut durch die Corona-Krise navigiert hat, würden wohl viele zustimmen. Die Herausforderung für Veränderungen liegt dabei allerdings darin, dass die Politik im Ganzen wenig handlungsfähig ist und auf solche Ereignisse sehr viel langsamer reagiert als es das ökonomische System tut. Die Corona-Krise hat nochmal eindrücklich den Bedeutungszuwachs des Wirtschaftssektors zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen aufgezeigt.

In diesem Zusammenhang kommen Unternehmen, Agenturen und Marken ins Spiel. Sie sind deutlich agiler und somit handlungsfähiger als alle politischen Organisationen. Diese neue Chance gilt es zu nutzen. Insbesondere die Generationen der Millennials (geboren in den 80er bis späten 90er Jahren) sehen Unternehmen in der Rolle als Treiber. Die Generation Y erkennt Unternehmen als größeren Hebel für Veränderung an als Politik. Daher wird als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, dass das jeweilige Potenzial etwas Gutes zu tun auch ausgeschöpft wird – wer sich diesem Kundenbedürfnis entzieht wird es zukünftig schwer haben.

Unternehmen müssen erwachsen werden und Verantwortung übernehmen

Marken werden zunehmend in die Lage versetzt, sich in gesellschaftliche Debatten einzubringen, dort die aktive Führungsrolle der Politik zu übernehmen und für die Allgemeinheit gewinnbringende Beiträge zu leisten. Bestehende Handlungsmöglichkeiten und Veränderungen können von Unternehmen aufgegriffen und angegangen werden – eine neue Dimension des Brand Activism auf allen Ebenen beginnt. Ob nun der Kampf gegen soziale Ungleichheit, die Förderung des Klimaschutz, Statements gegen Rassismus, Einsatz für Gleichberechtigung oder Bereitstellung von Bildung für breite Schichten in der Bevölkerung – die Handlungsspielräume sind immens.

Um einfach mal die Größe und das Potenzial der Einflussnahme der Unternehmen in Relation zu setzen folgen ein paar Zahlen. Vergleicht man die Umsätze der großen Unternehmen wie den Internetgiganten Google, Apple, Facebook und Amazon mit dem Bruttoinlandsprodukt einzelner Länder wird die Macht schnell deutlich. Teilweise sind die Unternehmen größer als mehrere Staaten zusammen – und damit sind sie auch in der Position die Welt zu einer besseren zu verändern. Im Folgenden finden Sie eine kurze Übersicht, um einfach mal die Größen mit tatsächlichen Zahlen zu belegen.

Google: 160,7 Milliarden USD (2019, Quelle; Quelle)

Apple: 260,17 Milliarden USD (2019, Quelle; Quelle)

Facebook: 70,69 Milliarden USD (2019, Quelle; Quelle)

Amazon: 280,52 Milliarden USD (2019, Quelle; Quelle)

Microsoft: 125,84 Milliarden USD (2019, Quelle; Quelle)

Walmart: 523,96 Milliarden USD (2019, Quelle; Quelle)

Argentinien: 445,469 Milliarden USD (2019, Quelle)

Chile: 294,237 Milliarden USD (2019, Quelle)

Venezuela: 70,140 Milliarden USD (2019, Quelle)

Kroatien: 60,702 Milliarden USD (2019, Quelle)

Albanien: 15,418 Milliarden USD (2019, Quelle)

Ungarn: 170,407 Milliarden USD (2019, Quelle)

Transforming Brands: Sinn stiften

Unternehmen sind potenzielle Enabler des Wandels und werden damit zu Transforming Brands: zu Akteuren des gesellschaftlichen Geschehens, die aktiv dabei helfen Veränderungen herbeizuführen. Die Sensibilität für die Integrität von Marken steigt rasant an, Sinn-Stiftung und Wertebewusstsein werden zu den zentralen Themen.

Mit gutem Beispiel und Sinn-Stiftend voran

Der US-Amerikanische Sportartikelhersteller NIKE hat diesen Umbruch im Machtgefüge schon frühzeitig erkannt und setzt schon seit einigen Jahren auf Werte wie Community und soziale Gerechtigkeit und distanziert sich damit allmählich von der Rolle als Statussymbol.

2018, zum 30-jährigen Jubiläum des Claims „Just do it“ hat NIKE in Kooperation mit dem American Football Quarterback Colin Kaepernick in dem Imagespot „Dream Crazy“ eine klare politische Haltung bewiesen. Als sich Kaepernick beim Abspielen der US-Nationalhymne vor Spielbeginn hingekniet hatte, um so gegen Rassismus und Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern zu protestieren, löste dies eine nationale Empörungswelle und Diskussion aus. Daraufhin wurde sein Vertrag aufgehoben, er wurde von rechtsgesinnten Personen angegriffen und vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Donald Trump öffentlich als „Hurensohn“ beschimpft.

NIKE machte Kaepernick zum Brand Ambassador der Marke und stand die ganze Zeit – auch bei härtester Kritik – hinter ihm. Auch als im Akt des vermeintlichen Protests NIKE Produkte wie Schuhe oder Trikots öffentlich verbrannt wurden und der Aktienkurs zusammenbrach, knickte NIKE als Marke nicht ein und bewies so Haltung und bezog klar Position. Heute kann NIKE „Dream Crazy“ als Riesenerfolg bezeichnen, denn der Spot und die Einstellung der Marke ging viral. Das Video brach dabei mehrere Rekorde, wurde ausgezeichnet und die Umsätze stiegen deutlich an.

Wer nun denkt, dass dies nur ein Phänomen außerhalb Deutschlands ist liegt falsch. Laut einer Umfrage honorieren zwei von drei Deutschen es, wenn sich eine Marke sozial engagiert (Quelle: YouGov, 2019, Link). Gleichzeitig sind die Menschen Unternehmen gegenüber immer misstrauischer – nicht zuletzt durch beispielsweise den VW Skandal im eigenen Land.

Buchstaben CSR mit grüner Papierglühbirne

Practice what you preach

Die beste Kampagne und die gut gemeinteste Botschaft kann nur dann fruchten, wenn sie glaubwürdig ist. Besonders die großen soliden Tanker in der Industrie haben es hier schwer ihre jahrzehntelang gelebten Werte und Handlungsschemata zugunsten von Veränderung über Bord zu werfen. Durch den Vertrauensbruch und den häufig wenig oder gar nicht gelebten Markenaktivismus kehren die Verbraucher den großen Unternehmen den Rücken und orientieren sich lieber zu den kleineren, liebevoller gepflegten Marken, die tatsächlich etwas verändern wollen, hin (Quelle: Koch, Thomas; 2019, Link).

Besonders, wenn sich große Unternehmen Umweltthemen zuwenden, ist der Greenwashing Vorwurf nicht weit entfernt. Gerade in Unternehmenszweigen, die für ihr umweltschädigendes Verhalten bekannt sind, gehen die Bemühungen häufig nach hinten los. Wie auch auf kleiner Ebene gilt: wenn ich etwas nicht kann lerne ich es ODER ich hole mir Hilfe – letzteres ist der häufige gewählte Weg.

GREENWASHING

„Greenwashing bezeichnet den Versuch von Unternehmen, durch Marketing- und PR-Maßnahmen ein „grünes Image“ zu erlangen, ohne allerdings entsprechende Maßnahmen im Rahmen der Wertschöpfung zu implementieren. Bezog sich der Begriff ursprünglich auf eine suggerierte Umweltfreundlichkeit, findet dieser mittlerweile auch für suggerierte Unternehmensverantwortung Verwendung“ (Quelle: Gablers Wirtschaftslexikon, 2020, Link)

Vom Was, über das Wie, hin zum Warum

Einst diente Werbung alleinig dazu Produkte anzupreisen, die Werbeslogans sollten möglichst ausgefallen und originell sein, um auf die einzigartigen lebensnotwendigen Eigenschaften des Beworbenen hinzuweisen.

  • „Meica macht das Würstchen“
  • „Actimel aktiviert Abwehrkräfte“
  • „Exquisa: Keiner schmeckt wie dieser“
  • „Neu? Nein mit Perwoll gewaschen!“
  • „Waschmaschinen leben länger mit Calgon.“

 

Damit fokussierten diese Werbebotschaften das sehr einfache was. Also das beworbene Produkt stand alleinig mit seinem vermeintlichen funktionalen Nutzen im Fokus. In den 1990er Jahren verlagerten sich diesen Botschaften hin zum wie. Wie wurden die Produkte hergestellt? Es war die Hoch-Zeit der Experten die Kompetenz und Fachwissen suggerieren sollten, um so das Vertrauen der potenziellen Käufer erlangen zu können. Dr. Best zeigt die eigene Zahnbürste im Testlabor und drückt sie gegen eine Tomate oder Lindt zeigt die eigene Schokoladen-Confiserie mit dem Meister Konditor. Das Interesse an der Entstehungsgeschichte und den Produktionsbedingungen wurde bei den Konsumenten erstmalig geweckt und jetzt wollen diese davon mehr.

Nachdem dieses Transparenz-Bedürfnis bei den Konsumenten geweckt wurde, haben die Marken in den frühen 2000er Jahren dieses in der gesamten Markenkommunikation sehr viel verstärkter aufgenommen. Diese Entwicklung ist nie zum Stoppen gekommen – im Gegenteil sie hat sich noch intensiviert.

Der moderne Konsument ist so kritisch, aufgeklärt und so gut informiert wie noch nie. Leere Markenclaims, falsche Siegel oder unglaubwürdige Marken haben damit kaum noch eine Chance. Bio- und Fairtrade Siegel, Diversity, Regionalität, Gender Equality, Nachhaltigkeit, Emotionalität und Transparenz sind in der Markenkommunikation zu den wichtigsten Faktoren überhaupt aufgestiegen. Die erfolgreichen Marken von morgen müssen noch einen Schritt weiter gehen und ihrem eigenen Marken-Dasein einen tieferen Sinn geben und für ein gemeinschaftliches Ziel streben.

Marken als Sinn-Stifter

Unternehmen die heute und morgen langfristig erfolgreich sein wollen, müssen sich dementsprechend selbst die Frage stellen welche Funktion sie in dieser vernetzten Ökonomie und Gesellschaft erfüllen. Sinnhaftigkeit und Resonanz werden zunehmend zur neuen Markenwährung – die starken Marken von morgen sind im wahrsten Sinne „Wert-Schöpfer“. Vor diesem Hintergrund müssen sich Marken zunehmend als Sinn-Entitäten verstehen, die in Markt und Gesellschaft hineinwirken, um dort gezielte Veränderungen zu fokussieren.

Dennis Luft Junior Strategie Team

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mein Name ist Dennis und ich bin bei Weder & Noch im Bereich Strategy tätig. Ich freue mich über Feedback oder Ihre Kontaktaufnahme. Wenn Sie mehr über uns als Agentur erfahren wollen, werfen Sie doch einen Blick auf unsere Seite.